Das Erreichen von mehr Klarheit wird möglich, wenn man nicht ganz vom Verstand eingenommen ist, sondern der Wahrnehmungskanal auch zu Gefühlen und Körperempfindungen hin offen ist. Die nicht konzentrierte, sondern schwebende Aufmerksamkeit macht es möglich. Viele Erfindungen, die gemacht wurden, traten gerade in solchen Momenten ins Bewusstsein.


 Warum und wozu Focusing?

Wahrnehmung
Gefühle Wahnehmung - Focusing

Wenn man vor einer Aufgabe, oder einem Problem steht, benützt man vielfach fast ausschliesslich den Verstand zur Bewältigung. Dabei hätte man mehr zur Verfügung. Rogers sagte, sein Organismus wisse mehr, als nur sein Verstand allein. Doch während der Verstand klare Gedanken bilden kann, die allerdings zum Teil auch schnell wieder verworfen werden müssen, sind Körperempfindung und Gefühle häufig zuerst vage und diffus. Werden sie aber einbezogen, kommen fundiertere Entscheidungen zustande. In komplexen Situationen, die eine rasche Entscheidung verlangen, muss sogar rein intuitiv entschieden werden, dann spielt der Verstand eine untergeordnete Rolle. Es sind dann verinnerlichte Erfahrungen, zusammen mit einer überblicksmässigen Wahrnehmung der aktuellen Situation, die zum Zuge kommen und sich weniger in Worten mitteilen, sondern eher in einem gefühlsmässigen Erfassen, einer vagen Empfindung. In Teilbereichen hat man gelernt, diesen Empfindungen zu trauen. Man sagt dann, man habe einen Riecher für etwas. Oft werden sie übergangen, man entscheidet verstandesmässig und stellt später nicht selten fest, dass man besser auf sein Gefühl geachtet hätte.


Dasselbe kann sich auch im grösseren Rahmen abspielen, indem man ungewollte Gefühle und die dazugehörenden Körperempfindungen gewohnheitsmässig beiseite schiebt und hofft, sie würden mit der Zeit dann verschwinden. Das ist aber nicht der Fall. Eugene Gendlin, der Erfinder des Focusings, schreibt dazu: «Was abgespalten ist und nicht gefühlt wird, bleibt immer dasselbe. Wenn es gefühlt wird, ändert es sich. Die meisten Menschen wissen das nicht! Sie glauben, sie machen sich zu guten Menschen, wenn sie sich das Fühlen ihrer negativen Seiten verbieten. Das bewirkt aber genau das Gegenteil: Es hält diese negativen Seiten statisch, sie bleiben Jahr für Jahr. Einige Augenblicke des Hineinfühlens erlauben, dass sie sich wandeln. Wenn da etwas Schlechtes, Krankes oder Schwaches ist, lassen Sie es innerlich da sein und atmen Sie dabei: Das ist der einzige Weg, dass es sich entwickeln und in die Form verwandeln kann, die es braucht.»

Form verwandeln kann
Ablauf

 Klassischer Ablauf

  1. Entspannen und Raum schaffen
  2. Thema auswählen, sich vergegenwärtigen und einen felt sense entstehen lassen
  3. einen Griff finden
  4. Griff und „felt sense“ vergleichen
  5. Fragen an den „felt sense“ stellen
  6. Empfangen

 “Felt sense” und “felt shift”

“Felt sense“ ist der zentrale Begriff und Angelpunkt im Focusing. Eine genaue Übersetzung gibt es nicht. Er kann am ehesten mit «gefühlte Bedeutung» übersetzt werden. Der „felt sense“ zeigt sich meist im Brust-Bauchraum als unklare Körperempfindung. Dieses vage Etwas ist am Übergang von Bewusstsein und Unbewusstem. Es ist eine ganzheitliche Empfindung an den Erlebnisrändern. Es ist das, was implizit da ist, aber noch nicht explizit. Durch achtsames Warten, oder langsames Weitergehen mit Fragen, kann sich der „felt sense“ verändern, oder seine Bedeutung kann klar werden. Wenn aus der dumpfen Empfindung eine klare Bedeutung entsteht, spricht man von einem „felt shift“.